Einzigartiges Naturschutzgebiet in Basel in Gefahr

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Ein ganz spezieller Trockenlebensraum: die stillgelegte Rangieranlage des Badischen Bahnhofs in Basel. (Bild: Markus Hofmann)

Es ist alles andere als ein Naturidyll. Der Geruch der Abwasserreinigungsanlagen der Basel Stadt vermischt sich mit den Abgasen der Autobahn und des städtischen Verkehrs. Industriegebäude reiht sich an Industriegebäude. Aufeinander gestapelte Container warten auf die Verladung. In einem Drivecenter üben Automobilisten ihre Fahrkünste; hier stört das niemanden. Selbst die Insassen des Gefängnis Bässlergut werden davon kaum etwas mitbekommen. Das Ausschaffungsgefängnis liegt ennet den Geleisen, ganz in der Nähe der schweizerisch-deutschen Grenze.

Und mittendrin ein Hotspot der Biodiversität.

Auf dem ehemaligen Rangiergelände der Deutschen Bahn beim Badischen Bahnhof hat sich ein einmaliges Biotop entwickelt. 2010 ist das knapp 20 Hektar grosse Gebiet ins Bundesinventar für Trockenwiesen und -weiden nationaler Bedeutung aufgenommen worden und somit bundesrechtlich geschützt. Es ist ein für die Schweiz einzigartiger Trockenlebensraum und aus Sicht des Naturschutzes entsprechend wertvoll. Seit 1900 sind in der Schweiz 95 Prozent aller Trockenlebensräume verschwunden.

Bereits 2003 schrieb die damalige Vorsteherin des Baudepartements Basel-Stadt, Barbara Schneider: „Das Eisenbahngelände im Norden Basels zeichnet sich durch seine ein­malige Lage am Rande der Oberrheinebene aus. Für Schweizer Verhältnisse findet sich dort eine einzigartige Vergesellschaftung von Pflanzen und Tieren. Es kommen Arten vor, die in der übrigen Schweiz selten sind, zum Beispiel die Blauflüglige Ödlandschrecke und das Pariser Labkraut; oder es finden sich dort Arten, die es in der Schweiz sonst nirgends gibt, zum Beispiel das Sand-Lieschgras.“

Doch nun ist dieser Lebensraum akut gefährdet. Am 29. November 2020 stimmen die Baslerinnen und Basler darüber ab, ob diese „einzigartige Vergesellschaftung von Pflanzen und Tieren“ verschwindet. Geplant sind dort nämlich ein neues Hafenbecken sowie ein Containerterminal. Weiterlesen

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Wem es bereits schlecht geht, dem geht es noch schlechter: Gefährdete Pflanzen in der Schweiz auf dem Rückzug

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Weisses Fingerkraut, eine typische Art von Trockenwiesen. In der Schweiz gilt diese Art als verletzlich. (Bild: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2001588)

Wie wichtig alte Aufzeichnungen sind, zeigt sich wieder einmal an einer neuen Untersuchung zur Schweizer Pflanzenwelt. Zwischen 1960 und 2001 hat „Info Flora“, das nationale Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora, die Pflanzenwelt gründlich aufgearbeitet. Diese Daten wurden nun mit dem Jetztzustand verglichen.

Über 400 Botaniker und Botanikerinnen haben sich die Mühe gemacht, die damals erhobenen Populationen – über 8000 – aufzusuchen und nachzuschauen, was dort noch wächst. Dabei hat man sich auf die 713 seltensten und am meisten bedrohten Arten konzentriert. Die Resultate dieser Studie sind besorgniserregend.

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Die Aliens vor den Toren der Naturschutzgebiete

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Schweizerischer Nationalpark: Manchmal schleppen Besucher nicht-heimische Arten in Schutzgebiete. (Bild: M. Hofmann)

Der Begriff sagt es: Naturschutzgebiete sind dazu da, die Natur vor Ort zu schützen. Und zwar auch vor sogenannten nicht-heimischen Arten. Solche Neobiota gelten als eine von mehreren Ursachen für den rapiden Biodiversitätsverlust (neben Zerstörung von Habitaten, Übernutzung, Klimawandel und Verschmutzung; zur Debatte über invasive Arten siehe hier).

Diese Bedrohung soll selbstverständlich auch von Naturschutzgebieten ferngehalten werden. Doch gelingt dies auch?

In einer grossen Datenstudie sind Forscher dieser Frage nachgegangen. Sie untersuchten, inwieweit sich weltweit 894 nicht-heimische Tierarten bereits in 199’957 Naturschutzgebieten breit gemacht haben. Der Befund ist positiv, doch die Gefahren drohen in der Zukunft. Weiterlesen

„Die Bauern sind nicht an allen Umweltproblemen schuld“: Ein Bauer und Politiker wehrt sich gegen den schlechten Ruf der Landwirtschaft und gründet ein Vogeldorf

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Einer der Lieblingsorte von Andreas Aebi: Der Kuhstall, in dem Rauchschwalben brüten. (Bild: Markus Hofmann)

Es ist leicht, den Bauernhof von Andreas Aebi zu finden: immer den Schwalben nach. Dort, wo Mehl- und Rauchschwalben wie ein Mückenschwarm ums Gehöft fliegen, wartet auch schon Aebi und deutet unter den Dachfirst einer Scheune. Kürzlich hat er hier eine Reihe von künstlichen Mehlschwalbennestern angebracht.

Anders als über 150 andere Kunstnester, die Andreas Aebi auf seinem Hof zählt, sind sie noch leer. „Das wäre ein Highlight, wenn die Schwalben auch diese Nester beziehen“, sagt er: „Gleich darunter an der Scheunenwand kommt dann das Schild hin. Damit es alle sehen, die am Hof vorbeifahren.“ Auf dem Schild wird stehen: Vogeldorf.

Wir sind im ersten Vogeldorf der Schweiz, in Alchenstorf, einer 600-Seelen-Gemeinde in der hügeligen Landschaft des Emmentals im Kanton Bern, die noch immer landwirtschaftlich geprägt ist. Die Bauern betreiben vor allem Viehzucht und Milchwirtschaft. Das saftige Grün der Weiden zwischen den Dörfern und Wäldern springt einen wie auf einer nachträglich kolorierten Postkarte förmlich an. Der Dung der Kühe versorgt den Boden mehr als genügend mit Nährstoffen. Aus dieser Gegend stammt der berühmte Emmentaler-Käse: der mit den Löchern, im Ausland schlicht auch „Schweizer Käse“ genannt.

Der Bundespräsident reist ins Vogeldorf

Auch Andreas Aebi ist Bauer, neben vielem anderen: Er ist Abgeordneter im Nationalrat, der grossen Kammer des Schweizer Parlaments, er ist Präsident der Schweizerischen Rinderzüchter, Auktionator, Reiseveranstalter – und er ist der Erfinder des Vogeldorfs. Vor knapp einem Jahr lud er zum Fest und hob das Vogeldorf aus der Taufe.

Seine politischen Beziehungen liess er bis ganz nach oben spielen. Und so nahmen nicht nur viele Bäuerinnen und Bauern sowie weitere Einwohner aus Alchenstorf am Festakt teil. Aus Bern reiste ein Mitglied der Schweizer Regierung an. Bundespräsident Ueli Maurer, ein Parteifreund Aebis, hielt eine Festrede. Und auch der ehemalige Trainer des 1. FC Köln, Hanspeter Latour, war da, der sich inzwischen fast gänzlich der Naturbeobachtung verschrieben hat (das Flugbegleiter-Porträt von Latour finden Sie unter diesem Link).

Wissenschaftliche Begleitung

Das Vogeldorf ist nicht irgendeine spleenige Idee eines Hobby-Ornithologen. Andreas Aebi meint es ernst damit. Das Vogeldorf ist ein Projekt, mit dem bestimmte Vogelarten sowie die Biodiversität insgesamt in Alchenstorf gefördert werden sollen.

Die Berner Fachhochschule begleitet das Vogeldorf wissenschaftlich, Birdlife Schweiz unterstützt es. Doch zuerst wird Inventur gemacht. Bereits sind Hecken, Obst- und Einzelbäume sowie das Siedlungsgebiet einer Beurteilung unterzogen worden. Die extensiv bewirtschafteten Wiesen werden untersucht. Und ein Ornithologe streift gerade durch die Gemeinde und schaut und hört, wo welche Vogelarten brüten.

Lesen Sie weiter bei den Flugbegleitern (€).

Nativisten, Liberale, Agnostiker: Die Einschätzungen nicht-einheimischer Arten gehen weit auseinder

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Inbegriff der invasiven Pflanze: der Staudenknöterich, hier am Platzspitz mitten in Zürich. (Bild: M. Hofmann)

Möchte man eine gemütliche Runde von Naturschützerinnen und Naturschützern etwas aufmischen, empfiehlt es sich, ein Thema aufs Tapet zu bringen: nicht-einheimische Arten. Stellt man die Frage in den Raum, ob die wirklich so schlimm seien, entspannt sich rasch eine auch emotionale Diskussion.

Denn klar ist: Nicht-heimischen Arten ist nicht so recht über den Weg zu trauen.

Alle Arten, die seit 1492, also seit der Entdeckung Amerikas, durch den Menschen in neue Lebensräume gebracht worden sind, werden „nicht-einheimische“ oder „gebietsfremde“ Arten genannt. Vermehren sich diese Arten stark, können sie ökologische und ökonomische Schäden verursachen. Diese Arten gelten dann als „invasiv“.

Solche invasive Arten werden als grosse Gefahr für die Biodiversität bezeichnet. Als Grund für die gegenwärte Biodiversitätskrise und das Massenaussterben stehen sie gar auf dem zweiten Platz nach der Veränderung und Zerstörung der Lebensräume durch den Menschen.

Eines der 20 internationalen Aichi-Ziele zum Schutz der Biodiversität besteht denn auch darin, invasive Arten in den Griff zu kriegen:

By 2020, invasive alien species and pathways are identified and prioritized, priority species are controlled or eradicated, and measures are in place to manage pathways to prevent their introduction and establishment.

Doch teilen diese Einschätzung alle Fachleute? Vor kurzem habe ich hier auf den Fall des Staudenknöterichs – einer invasiven Pflanze par excellence – hingewiesen, der Vögeln gute Brutbedingungen bieten kann.

Forscher aus der Schweiz und Benin machten die Probe aus Exempel und starteten eine Umfrage: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie hält ihr es mit den nicht-einheimischen Arten? Weiterlesen

Kanada hat gewählt: und zwar eine nationale Flechte

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Der Star unter den kanadischen Flechten, die Rentierflechte. (Bild: Anders Wahl — Travail personnel, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2086181)

Mit 4814 von insgesamt 18’075 Stimmen hat sich die Rentierflechte (Cladonia stellaris) durchgesetzt. Sie ist nun die offizielle nationale Flechte Kanadas. In den letzten Tagen konnten die Kanadier abstimmen, welcher Flechtenart sie diese Ehre zuteil werden lassen wollten. Die Wahl fiel dann doch ziemlich klar aus. Auf den nachfolgenden Rängen landeten meine Favoriten: zum einen die Zierliche Gelbflechte, zum anderen die „Horsehair“-Flechte.

Damit fiel die Gunst der Wählerinnnen und Wähler auf eine sehr verbreitete Flechte Kanadas. Und wir ihr Name sagt: Besonders beliebt ist sie nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Rentieren, denen sie als Nahrung dient.

Kanada steht vor der Wahl: Gesucht wird die Flechte der Nation

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Trotzt den härtesten Bedingungen: die Zierliche Gelbflechte. (Bild: Björn S… / CC BY-SA, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)

Kanada wählt am Donnerstag, 26. März 2020. Keinen neuen Präsidenten, kein neues Parlament. Sondern – eine nationale Flechte.

Über einen nationalen Baum verfügt Kanada bereits. Klar, es ist der Ahorn, dessen Blatt die Flagge Kanadas schmückt. Neben dem Ahorn kürte die Regierung bereits in den 1970er Jahren den Biber zum offiziellen Nationen-Tier.

Dass nun auch eine Flechte zu dieser Ehre kommt, ist kein Zufall. Denn Kanada zeichnet sich durch eine sehr hohe Artenzahl an Flechten aus. Möglicherweise ist Kanada neben Russland das Land mit der höchsten Flechten-Biomasse. Rund ein Zehntel der weltweit bekannten 25’000 Arten kommt in diesem nordamerikanischen Land vor.

Die Schweiz kann sich im Flechten-Ranking übrigens durchaus zeigen lassen: Obwohl flächenmässig viel kleiner als Kanada wachsen in der Schweiz rund 1800 Flechtenarten (von denen viele gefährdet sind).

Die Top-Flechte Kanadas soll nun per Abstimmung bestimmt werden. Im Internet kann man seine Stimme abgeben. Sieben Kandidatinnen stehen bereit. Weiterlesen

Lasst die toten Tiere liegen – auch den Pflanzen zuliebe

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Am schönsten sind die Schottischen Hochlandrinder selbstverständlich lebendig. Doch auch als Kadaver haben sie einen grossen Nutzen für die Biodiversität. (Foto: Susanne Jutzeler, suju-foto/Pixabay)

Das Schottische Hochlandrind ist ein rundum symphatisches Wesen. Nicht nur äusserlich. Seit es auch für die schonende Beweidung in Naturschutzgebieten zum Einsatz kommt, ist die Anzahl seiner Verehrerinnen und Verehrer weiter angestiegen.

Doch nimmt es den letzten Weg alles Sterblichen (wenn es nicht vorher geschlachtet worden ist) und verendet, dann wird es zum Abdecker gebracht und entsorgt – aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes, wie es in der entsprechenden Verordnung der Schweiz heisst. Ausnahmen von dieser Praxis gibt es in Europa etwa in Spanien, wo man das Vieh zugunsten der dort lebenden Geier liegenlassen darf (siehe meine Umweltnotiz „Hol’s der Geier“).

Schade, dass man derart restriktiv mit den Nutztierkadavern umgeht. Besser wäre es, man liesse zu, dass einzelne Tiere an Ort und Stelle verwesen könnten. Dann nämlich würden die Hochlandrinder über ihren Tod hinaus einen Beitrag zur Verbesserung der Biodiversität leisten. Weiterlesen

Wir bekämpfen invasive Pflanzen mit allen Mitteln – doch einheimischen Singvögeln bieten sie Platz, um ihren Nachwuchs aufzuziehen

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Starkes Wachstum: Japanischer Staudenknöterich.

Der Staudenknöterich steht weit oben auf der Todesliste. In der Schweiz ist es verboten, asiatische Knöteriche (Polygonaceae) in der Umwelt freizusetzen. Auch jeglicher Handel ist untersagt. Die Knöteriche gelten als invasive Neophyten, also als gebietsfremde Pflanzen, die, wo immer man sie antrifft, zu bekämpfen sind. Und inzwischen sind sie an vielen Orten anzutreffen.

Vor rund 200 Jahren genossen die Staudenknöteriche noch einen guten Ruf. Damals wurden sie aus Asien nach Europa als Futter- und Zierpflanze eingeführt. Die Knöteriche fühlen sich hier sichtlich wohl und haben sich stark ausgebreitet. Vor allem Uferbereich von Bächen und Flüssen schätzen sie.

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Ausbreitung des asiatischen Staudenknöterichs Reynoutria japonica Houtt. in der Schweiz. (Karte Infoflora)

Doch nun bereitet der Staudenknöterich grosse Sorgen. Zum einen führt er zu Schäden an Infrastrukturen (eine Asphaltschicht von fünf Zentimeter Dicke ist für ihn kein Hindernis), und an Böschungen fördert er die Erosion.

Zum anderen drängt der Staudenknöterich andere Pflanzenarten zurück und verringert damit die Biodiversität. Er bildet nicht nur ein dichtes Blätterdach, durch das kaum Licht auf den Boden dringt, er gibt auch Substanzen ab, die das Wachstum anderer Pflanzen verhindern.

Kein Wunder also, dass beachtliche Ressourcen zu seiner Bekämpfung eingesetzt werden. Im Kanton Bern hat man dem Staudenknöterich bei einem Naturschutzgebiet auf einer Fläche von 740m² den Garaus gemacht – mit einer eigens entwickelten Maschine. Kostenpunkt: 20’000 Franken.

Bei alldem hat man aber die Rechnung ohne die (einheimischen) Vögel gemacht. Diese fühlen sich nämlich in den dichten Büschen des (fremden) Staudenknöterichs sichtlich wohl, wie Beobachtungen aus Sachsen zeigen.

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