
Wenn wir Tiere wirklich schützen wollen, müssen wir ihnen eigene Rechte geben. Dies verlangt die Tierrechtsbewegung seit Jahren. Die Tierrechtsexpertin und Juristin Saskia Stucki geht noch einen Schritt weiter: Sie macht keinen Unterschied mehr zwischen Menschen- und Tierrechten. Tiere und Menschen hätten vielmehr gemeinsame Rechte. Das Interview.
Saskia Stucki, wieso brauchen Tiere Rechte?
Tiere brauchen Rechte, weil sie von Natur aus verletzlich und schutzbedürftig sind. Unsere Tierschutzgesetze reagieren bereits darauf. Sie erkennen an, dass Tiere Schutzbedürfnisse und gewisse Interessen haben. Das Problem ist, dass die geltenden Tierschutzgesetze keinen genügend starken Schutz gewährleisten. Ein solcher Rechtsschutz kann in Form fundamentaler und individueller Rechte erreicht werden.
Werden solche fundamentalen Tierrechte bereits irgendwo angewandt?
Bisher gibt es weltweit ein paar bahnbrechende Fälle, in denen zum Teil sogar höchste Gerichte Tieren individuelle Grundrechte zugesprochen haben, so etwa in Argentinien, Ecuador, Pakistan oder Indien. Die Fälle betrafen zum Beispiel Affen, Vögel oder Stiere.
Wie sieht es in Deutschland und der Schweiz aus?
Einige Expertinnen und Experten interpretieren die Gesetze so, dass daraus Rechte für Tiere folgen. So darf gemäss dem deutschen Tierschutzgesetz niemand „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Dies lässt sich als ein Recht auf Leben auslegen, was juristisch aber umstritten ist. In der Praxis ist es ohnehin so, dass man diesen Anspruch auf ein Lebensrecht sehr einfach einschränken kann, etwa für die Fleisch- und Eierproduktion oder für die Jagd. In der Schweiz ist dies gar noch einfacher möglich, da es dort gesetzlich gar keinen Lebensschutz gibt. In der Schweiz kann man ein gesundes Haustier euthanasieren lassen, wenn man es nicht mehr will. In Deutschland wäre dies zumindest theoretisch nicht möglich.
Üblicherweise unterscheidet man in der Tierrechts-Debatte zwischen Rechten für Menschen und Rechten für Tiere. Sie gehen nun aber einen Schritt weiter und wollen diesen Unterschied aufheben. Sie nennen Ihren Ansatz „One Rights“, was man mit „gemeinsame Rechte“ übersetzen könnte. Wieso sollen Menschenrechte auf nichtmenschliche Tiere ausgeweitet werden?
Ich unterscheide zwischen konzeptionellen und praktischen Überlegungen. Die konzeptionelle Grundidee ist die folgende: Wenn man sich die Menschenrechte genau anschaut, dann räumen sie eigentlich nicht nur Menschen spezifische Rechte ein. Klar, es gibt Rechte, die auf menschliche Interessen zugeschnitten sind, wie etwa die Religions- oder die Wissenschaftsfreiheit. Aber andere Rechte schützen fundamentale Interessen, die wir Menschen als Tiere, die wir ja sind, mit anderen Tieren teilen. Dazu gehört zum Beispiel das Interesse auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Leben. Diese Rechte sind also konzeptionell gesehen keine Menschenrechte, sondern fundamentale Grundrechte für Tiere – menschliche wie auch nichtmenschliche.
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