
Eigentlich wüsste man es ja: Der Lebensraumverlust ist einer der wichtigsten Treiber für die Biodiversitätskrise, also die über alle Massen hohen Aussterberaten von nicht-menschlichen Lebewesen. Deshalb sollten sich menschliche Siedlungen nicht weiter ins Land fressen und naturnahe Flächen zerstören. In vielen Ländern gibt es mittlerweile Raumplanungsgesetze, um genau dies zu verhindern und den Siedlungsbau zu steuern. Auch füllt die Literatur über „nachhaltigen Städtebau“ Bibliotheken. Doch davon ist auf der Erde noch wenig zu erkennen. Im Gegenteil.
Zwischen 1990 und 2014 hat sich die Zersiedelung weltweit fast verdoppelt (95 Prozent). In den beliebten Fussballfeldern gerechnet: Pro Stunde wird die Fläche von mehr als 160 Fussballfedern bebaut. Dies haben Forscher des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung in Dresden und der Concordia University in Montréal mit Hilfe von Satellitendaten berechnet.
Weitet man den Blick zeitlich, sieht es so aus: Zwischen 1975 und 2014 wurde mehr Fläche zugebaut als in allen Jahrtausenden zuvor, in denen der Mensch Siedlungen aus dem Boden stampfte.
Besonders eindrücklich schreitet die Zersiedelung in den ohnehin bereits stark verbauten europäischen Staaten voran, was die Forscher überraschte. Sie nahmen an, dass vor allem in China und Indien die Städte wachsen. Das tun sie auch. Aber eben weniger als in Europa, das beim Wachstum an der Spitze steht, gefolgt von Nordamerika, Ozeanien, Afrika, Asien und Südamerika. Pro Kopf ist die Zersiedelung in Ozeanien am höchsten (hier allerdings mit abnehmender Tendenz seit 1990), noch vor Nordamerika und Europa.
In Europa sind es vor allem westeuropäische Staaten, die zugepflastert werden (Niederlande, Belgien, Luxemburg). Die Schweiz gehört zwar zu einem der am stärksten zersiedelten Länder der Welt (Platz 8). Beim Wachstum in den vergangenen Jahren und der Zersiedelung pro Kopf belegt sie etwas weiter hinter liegende Plätze (13. bzw. 19.).
Die Siedlungsentwicklung ist weltweit gesehen also alles andere als nachhaltig. Um den Trend zu kehren, empfehlen die Forscher altbekannte, aber eben zu wenig umgesetzte Rezepte: bessere Regulierung, Anreize, die dem Landfrass entgegenwirken, Ausbau des öffentlichen Verkehrs bei gleichzeitiger Reduktion der Abhängigkeit vom Privatauto, Verdichtung statt weiterer Ausbau von Vororten.
Wie gesagt: Man wüsste ja eigentlich, was zu tun wäre.
©Markus Hofmann