
Wildpflanzen fördern mitten in der Stadt? Wo Gebäude, Strassen, Plätze den Boden versiegeln? Wo im Kampf um Verdichtung um jeden Quadratmeter gestritten wird?
Ja, das geht! Und es ist notwendig, will man die Biodiversität erhalten oder gar steigern.
Dies zeigt die Studie von Kevin A. Vega und Christoph Küffer, die die grünen Flecken der Stadt Zürich genau untersucht haben (Zusammenfassung der Studie in „Der Gartenbau“, 10/2021). In sieben ein Quadratkilometern grossen Quadraten erfassten sie die Gefässpflanzen auf öffentlichen Flächen, die mindestens einen Quadratmeter umfassen – vom Zentrum bis an den Stadtrand. Darunter befanden sich Baumscheiben mit etwas Grün ringsum bis zu stattlichen Wiesen von 30.000 Quadratmetern. Über 2100 Untersuchungsflächen kamen so zusammen.
Das Resultat: Je grösser die Fläche, desto grösser auch die Zahl der Pflanzenarten. So weit so wenig überraschend. Doch daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, kleine grüne Flächen seien nutzlos und müssten nicht gefördert werden, wäre falsch. Denn viele kleine Födermassnahmen zeitigten in der Summe eine grosse Wirkung, schreiben Küffer und Vega.
Eine Baumscheibe ökologisch aufwerten, einen Gehweh oder ein Plätzchen entsiegeln oder eine Wiese etwas später im Jahr schneiden: All diese wirkt sich positiv auf die Biodiversität aus. Mittelhäufigen und häufigen Arten ist damit gar mehr gedient als mit wenigen grossen Flächen. Jedes kleine Stückchen Grün unterscheidet sich in seiner Artenzusammensetzung – zusammengezählt erreicht man so eine vergleichsweise hohe Artenvielfalt.

Kleine Flächen zeichnen sich also durch eine hohe Effizienz aus: Die häufigsten Wildpflanzen kommen in Zürich auf sehr kleinen Flächen vor, die insgesamt lediglich rund drei Prozent der untersuchten Gesamtfläche ausmachen.
Allerdings bringt es nicht viel, wenn diese kleinen Parzellen nur sehr sporadisch verteilt sind. Notwendig ist eine Vernetzung. Küffer und Vega empfehlen, dass alle 50 Meter eine Wildpflanzenfläche von rund vier Quadratmetern vorhanden sein sollte. Um dies umzusetzen, müssen nicht gleich Spezialisten aufgeboten werden: Es genüge, so Vega und Küffer, wenn man zum Beispiel einen Teil eines Zierrasens etwas „verwildern“ lässt oder rund um eine Baumscheibe das Wachstum von Wildpflanzen fördert.
Das Potenzial, auch in Städten, die unter einem grossen Wachstums- und Verdichtungsdruck stehen, die Biodiversität zu fördern, sei also durchaus vorhanden, meinen Vega und Küffer. Noch werde es allerdings viel zu wenig genutzt. Das habe auch damit zu tun, dass es einen Mangel an Toleranz gegenüber selbstversamenden Wildpflanzen gebe: Diese werden noch zu oft als „Unkraut“ gesehen – und vernichtet.
Siehe zum Thema auch die Umweltnotizen „Lasst die Natur etwas häufiger in Ruhe – auch mitten in der Stadt“ und „Städtisches Grün einmal anders: Spaziergang durch ein Zürcher Quartier“.
© Markus Hofmann
Christoph Küffer war einer der Experten, die für die Schaffung des Binding Preises befragt wurden. Das mit dem Binding Preis für Biodiversität 2021 (Fr. 100’000.-) ausgezeichnete Projekt „Natur findet Stadt“ zeigt exemplarisch, wie auch mit vielen kleinen Flächen in 12 Gemeinden eine grosse Totalfläche für die Natur entsteht, 20’000 Quadratmeter: https://www.preis-biodiversitaet.ch/preistraeger/
Noch bis zum 31. 1.2022 kann man sich für den Preis 2022 bewerben: https://www.preis-biodiversitaet.ch/projekteingabe/
LikeGefällt 1 Person