
Das Votum ist deutlich ausgefallen: Am 26. Februar unterstützten mit 61 Prozent der Stimmen die Bewohner Toledos im US-Bundesstaat Ohio die „Lake Erie Bill of Rights“. Nun hat der Eriesee, immerhin der elfgrösste See der Welt, „the right to exist, flourish, and naturally evolve“. Einklagen können dieses Recht die Einwohner Toledos. Sie erhalten auch das Recht auf eine „gesunde Umwelt“. Ein entsprechender Zusatz soll der kommunalen Charta angefügt werden.
Solche „Lebensrechte“ kommen üblicherweise nur menschlichen Personen zu. In den letzten Jahren aber fanden diese sogenannten Rechte für die Natur immer mehr Gehör, in Lateinamerika, Neuseeland oder Indien (siehe dazu meinen Essay „Der befreite Schimpanse und der befreite Fluss: Das anthropozentrische Fundament des Rechts bekommt Risse“). Jetzt also feiert die „Rights of Nature“-Bewegung auch in den USA einen Sieg.
Hintergrund des neuen Gesetzes ist die starke Verschmutzung des Eriesees – insbesondere durch giftige Algen. Deren Wachstum wird durch Nährstoffe gefördert, die aus der Landwirtschaft stammen. Immer wieder kommt es vor, dass die rund 270’000 Einwohner Toledos das Trinkwasser nicht mehr verwenden können, weder zum Trinken noch zum Duschen. Im Sommer 2104 wurde deswegen für drei Tage gar der Notstand ausgerufen. Auch die Fischerei und der Tourismus leiden unter der miserablen Wasserqualität.
Da mit den bestehenden Gesetzen der Verschmutzung nicht beizukommen war und die staatlichen Stellen in den Augen der Kritiker zu wenig dagegen unternahmen, gründeten Einwohner Toledos die Gruppe „Toledoans for Safe Water“. Mit der juristischen Unterstützung der „Community Environmental Legal Defense Fund“ bereiteten sie das Gesetz vor und errangen einen rechtshistorischen Sieg. Man betrete eine neue „Ära des Umweltrechts“, sagte einer erfolgreichen Aktivistinnen.
Allerdings wird am Ende voraussichtlich ein Gericht entscheiden, ob dem Eriesee wirklich eigene Rechte zukommen. Eine Klage gegen das Gesetz ist bereits eingereicht worden. Und zwar von einem Bauern, der seine Existenz bedroht sieht. Die Felder ordnungsgemäss zu düngen, sei notwendig, begründet der Bauer seine Klage. Das neue Gesetz sei verfassungswidrig, verstosse gegen geltende Gesetze und verletze fundamentale Rechte der Bauernfamilien am Eriesee.
© Markus Hofmann
Es wäre auch zu schön, sollte so eine wundervolle Sache Bestand und weitere Beispiele bringen können.
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