Ist da jemand? Mauereidechsen können sich in Städten nicht so leicht aus dem Weg gehen. (Bild: Joël/Pixabay)
Mauereidechsen (Podarcis muralis) leben territorial und sind eher einzelgängerisch veranlagt. Doch in der Stadt zeigen sie sich sozial tolerant. Oder zumindest: toleranter als Mauereidechsen auf dem Land.
Das konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Untersuchung in Kroatien belegen. Ihre Studie ist in „Biology Letters“ erschienen. Sie zeigten damit auch, wie sich die Verstädterung der Welt auf das Sozialverhalten von Wildtieren auswirken kann.
Stellen Sie sich vor: Sie sind alleine in der Wildnis. Vor welchem Tier hätten Sie am meisten Angst?
17’353 Menschen aus allen Weltgegenden haben diese Frage beantwortet. Zur Auswahl standen ihnen 221 Fotos von 184 Tierarten, die ihnen an Land begegnen könnten (also keine Haie und anderes Meeresgetier). Diese Tiere stuften sie ein nach der persönlich empfundenen Gefährlichkeit. Die Resultate der Online-Umfrage sind vor kurzem von Karl Zeller et. al. in „People and Nature“ publiziert worden.
Am meisten Angst flösst der Anblick eines Leistenkrokodils aus.
Ebenfalls weit vorne in der Angst-Skala tummeln sich die Brillenschlange (Indische Kobra), der Jaguar und das Flusspferd.
Am wenigsten Angst verbreitet das Wildkaninchen.
Irrationale Angst
Soweit alles nachvollziehbar. Krokodile, Kobras, Jaguare und Flusspferde können dem Menschen durchaus gefährlich werden. Angst ist bei der Begegnung mit ihnen also eine angemessene Reaktion. Genauso wie der Niedlichkeitsfaktor bei Kaninchen gross ist.
Doch die Umfrage brachte auch Resultate hervor, die nicht so rational zu erklären sind. Schaut man sich nicht die einzelnen Tierarten an, sondern die taxonomischen Gruppen, so lagen die Spinnen bei den Angstmachern ganz vorne – vor Schlangen, Fledermäusen, Eidechsen, Insekten und Krokodilen.
Während man sich vor Krokodilen wirklich in Acht nehmen sollte, ist dies bei Spinnen in den allermeisten Fälle nicht nötig. Lediglich 0,5 Prozent aller Spinnenarten können dem Menschen gefährlich werden.
Hier spielt also etwas anderes eine Rolle: soziale und kulturelle Faktoren – oder Biophobie.
Im Juli ist das Risiko, in der Schweiz von einer Zecke gestochen zu werden, besonders hoch. (Bild: Erik Karits/Pixaba)
Dort, wo sich Menschen in der warmen Jahreszeit gerne und häufig im Freien aufhalten, zählt man in der Schweiz besonders viele Zeckensticke: in den dünn besiedelten Agglomerationen mit Grünraum.
Wälder, die in der Nähe von Städten liegen, sind ebenfalls Orte, nach deren Besuch ein erhöhtes Risiko besteht, mit blutsaugenden Ektoparasiten am Körper nach Hause zu kehren. Geringer ist die Wahrscheinlichkeit in dichtgebauten Städten, einen krabbelnden Gliederfüsser aufzulesen, der möglicherweise gefährliche Krankheitserreger in sich trägt.
Im Zeitraum der Untersuchung speicherten die Anwender der App 39’235 Zeckenstiche. Nach Bereinigung der Daten, die in diesem Citizen-Science-Projekt erhoben wurden, blieben 10’292 eindeutige Aufzeichnungen übrig. Diese sind nun in die soeben in „Parasites & Vectors“ erschienene Studie von Lisa Bald et. al. eingeflossen. Die Forscherinnen und Forscher zeichnen darin eine hochauflösende Karte der Schweizer Risikogebiete.
Stadtpärke wie hier in Zürich bergen eine Fülle an Baumarten. (Bild: Markus Hofmann)
Schweizer Städte sind für Baumfreunde ein Paradies – zumindest was die Anzahl Baumarten betrifft. Anders sieht es in den umliegenden Wäldern aus. Dort herrscht vergleichsweise Artenarmut. Während es in den Städten 1360 Baumarten gibt, sind es in den Wäldern gerade einmal 76. Also fast 18-mal weniger.
Dominant im urbanen Umfeld sind Ahorne, Linden, Eichen, Hainbuchen und Pflaumenbäume (Prunus). In den Wäldern ausserhalb der Städte in einem Radius von 10 Kilometern leben 76’944 Baumindividuen aus 43 verschiedenen Gattungen. Es kommen dort vor allem Fichten, Buchen sowie Kiefern, Föhren und Ahorne vor.
Während in den Wäldern in erster Linie einheimische Baumarten das Bild prägen, sieht die Situation in den Städten ganz anders aus: Hier sind neben einheimischen Baumarten auch viele Exoten zuhause wie der Gingko, die Schwarznuss oder der Blauglockenbaum.
Die üppige Stadtbaumvielfalt birgt allerdings auch Gefahren: Städte bilden ein Einfallstor für Schädlinge und Krankheiten, die sich dann auch auf die Wälder ausbreiten können, wie die WSL warnt.
Die Schweiz (hier Zürich) gehört zu den am stärksten zersiedelten Ländern der Welt. (Bild Heiner/Pixabay)
Eigentlich wüsste man es ja: Der Lebensraumverlust ist einer der wichtigsten Treiber für die Biodiversitätskrise, also die über alle Massen hohen Aussterberaten von nicht-menschlichen Lebewesen. Deshalb sollten sich menschliche Siedlungen nicht weiter ins Land fressen und naturnahe Flächen zerstören. In vielen Ländern gibt es mittlerweile Raumplanungsgesetze, um genau dies zu verhindern und den Siedlungsbau zu steuern. Auch füllt die Literatur über „nachhaltigen Städtebau“ Bibliotheken. Doch davon ist auf der Erde noch wenig zu erkennen. Im Gegenteil.
Zwischen 1990 und 2014 hat sich die Zersiedelung weltweit fast verdoppelt (95 Prozent). In den beliebten Fussballfeldern gerechnet: Pro Stunde wird die Fläche von mehr als 160 Fussballfedern bebaut. Dies haben Forscher des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung in Dresden und der Concordia University in Montréal mit Hilfe von Satellitendaten berechnet.
Weitet man den Blick zeitlich, sieht es so aus: Zwischen 1975 und 2014 wurde mehr Fläche zugebaut als in allen Jahrtausenden zuvor, in denen der Mensch Siedlungen aus dem Boden stampfte.
Schwarzmilane zu füttern, ist eine alte islamische Tradtion, der in Delhi nachgelebt wird. Szene aus „All That Breathes“ (Screenshot).
Opportunismus hilft zu überleben. Wer bei der Nahrungswahl nicht allzu wählerisch ist, frisst, was er gerade findet. Und hat so die Möglichkeit, sich fast über die ganze Welt auszubreiten.
Zu diesen Opportunisten gehört der Schwarzmilan (Milvus migrans). Ausser in Amerika kommt er fast überall vor, in Europa, Afrika, Asien, Australien. Er ist wohl die häufigste Greifvogelart der Welt. Der Bestand wird auf 4 bis 5,7 Millionen geschätzt.
Die wahrscheinlich höchste Dichte an Schwarzmilanen findet man in Delhi (hier lebt die Unterart Milvus migrans govinda). 15 Schwarzmilan-Horste pro Quadratkilometer zählten Wissenschaftler in dieser Millionenstadt.
Kein Zufall: Delhi ist für den Aasfresser ein mehr als reich gedeckter Tisch. Fressbaren (fleischlichen) Abfall findet er in der ganzen Stadt. Über der gigantischen Mülldeponie Ghazipur kreisen Tausende von Schwarmilanen.
Zudem mögen die Bewohnerinnen und Bewohner Delhis die Milane, obwohl diese gerade in der Brutzeit durchaus aggressiv werden können. Insbesondere die Muslime der Stadt pflegen zu den Schwarzmilanen eine besondere Beziehung. Gemäss einer alten islamischen Tradition ist es eine gute Tat, Schwarzmilane (und andere Tiere) regelmässig zu füttern.
Die Schwarzmilane nehmen das offerierte Futter gerne an. (Interessanterweise hilft die Fütterung durch Menschen auch dem Rotmilan in der Schweiz über die Runden; allerdings stehen dahinter keine religiösen Motive. Siehe meine Reportage bei den „Flugbegleitern“: Sie sind wieder da: Wieso die Rotmilane die Schweiz zurückerobern.)
Mit dieser Tradition sind auch die zwei Brüder Nadeem Shehzad und Muhammad Saud in Delhi aufgewachsen. Nun widmen sie ihr Leben den Greifvögeln der indischen Mega-Metropole. Seit 20 Jahren kümmern sie sich um verletzte und kranke Greifvögel, darunter nicht nur Schwarzmilane, sondern auch Eulen und Geier.
Immer wieder wurde über die beiden Brüder berichtet, die sich inmitten des grossstädtischen Chaos mit Hingabe den Vögeln widmen. Breiter bekannt wurden sie dann aber erst mit einer Reportage in der New York Times. Und seither sind sie nun auch die Hauptpersonen eines Dokumentarfilms von Shaunak Sen geworden: „All That Breathes“ hat bereits mehrere Preise gewonnen hat (u.a. in Cannes). Nun war er auch am Zürcher Filmfestival zu sehen (ab nächstem Jahr auf HBO erhältlich).
Auch für Honigbienen gilt: Mass halten. (Bild: Pixabay)
Bereits im vergangenen Jahr tauchten die städtischen Honigbienen in den Umweltnotizen auf. Gerade in der Schweiz ist es sehr en vogue, in den Städten Honigbienen zu halten. Doch diese verdrängen als Nahrungskonkurrentinnen die Wildbestäuber. Aus diesem Grund empfiehlt die IG Wildbiene, die städtische Imkerei zu reduzieren.
Eine neue Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL bestätigt dies nun. In Bezug auf die bestehenden Nahrungsressourcen sei die Dichte an Bienenstöcken in 14 untersuchten Schweizer Städten gegenwärtig so hoch, dass nicht mehr von einer nachhaltigen Imkerei gesprochen werden könne.
Auch wenn sie noch so unscheinbar wirken, so kommt Wildpflanzen in der Stadt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. (Bild: Markus Hofmann)
Wildpflanzen fördern mitten in der Stadt? Wo Gebäude, Strassen, Plätze den Boden versiegeln? Wo im Kampf um Verdichtung um jeden Quadratmeter gestritten wird?
Ja, das geht! Und es ist notwendig, will man die Biodiversität erhalten oder gar steigern.
Dies zeigt die Studie von Kevin A. Vega und Christoph Küffer, die die grünen Flecken der Stadt Zürich genau untersucht haben (Zusammenfassung der Studie in „Der Gartenbau“, 10/2021). In sieben ein Quadratkilometern grossen Quadraten erfassten sie die Gefässpflanzen auf öffentlichen Flächen, die mindestens einen Quadratmeter umfassen – vom Zentrum bis an den Stadtrand. Darunter befanden sich Baumscheiben mit etwas Grün ringsum bis zu stattlichen Wiesen von 30.000 Quadratmetern. Über 2100 Untersuchungsflächen kamen so zusammen.
Das Resultat: Je grösser die Fläche, desto grösser auch die Zahl der Pflanzenarten. So weit so wenig überraschend. Doch daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, kleine grüne Flächen seien nutzlos und müssten nicht gefördert werden, wäre falsch. Denn viele kleine Födermassnahmen zeitigten in der Summe eine grosse Wirkung, schreiben Küffer und Vega.
Die Stadt Zürich hat sich die Förderung der Biodiversität auf die Fahne geschrieben.(Bild: Markus Hofmann)
Städte – gerade in der Schweiz – zeigen sich gerne herausgeputzt. Da werden Blumenrabatten fein säuberlich wie Soldaten auf dem Exerzierplatz aufgereiht, Bäume gestutzt und Rasen regelmässig kurz geschnitten. Dabei täte auch in Städten etwas mehr Unordnung der Biodiversität gut.
Das zeigt einmal mehr eine neue Studie von Wissenschaftlern der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Dafür haben die Forscher die Tierwelt der Stadt Zürich sehr genau untersucht. An 251 Stellen haben sie ingesamt 1446 Arten aus 12 taxonomischen Gruppen erfasst, darunter Bienen, Käfer, Vögel, Schwebfliegen, Tausendfüsser, Netzflügler, Schnecken, Spinnen und Wespen.
Auf denjenigen grünen Flächen, auf denen der umtriebige Stadtmensch nicht gross eingreift, ist das Artenreichtum am grössten, also zum Beispiel auf Wiesen und Ruderalflächen, die nicht allzu häufig gemäht und gepflegt werden. In der Stadt Zürich halten sich die stark und weniger stark gepflegten Flecken in etwa die Waage, was der Anteil an der Gesamtfläche betrifft (20 bzw. 18 Prozent). Was gleichzeitig bedeutet: Das Potenzial, um die Biodiversität weiter zu fördern, ist beträchtlich. Ein Förderprogramm dazu ist in Zürich bereits am Laufen.