Irrgäste: Erdmagnetische Störungen bringen Vögel vom Weg ab

Von Kanada bis Mexiko ist eine Begegnung mit dem Weiden-Gelbkehlchen (hier ein Weibchen) nicht aussergewöhnlich. Anders hingegen in Westeuropa: Da taucht es nur als Irrgast auf. (Bild: Rhododendrites, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=110859703)

Vergangenen Herbst hat ein kleiner Vogel im Tessin für Aufregung unter Vogelbeobachtern gesorgt. Ein Weiden-Gelbkehlchen war entdeckt worden. Ein Vogel, der in Nordamerika und im Winter in Mittelamerika vorkommt. Zwar ziehen einige dieser Tiere im Herbst auch auf die Azoren. Doch Weiden-Gelbkehlchen, die in Kontinentaleuropa auftauchen, gelten als sogenannte Irrgäste, also Vögel, die deutlich von ihrem Weg abgekommen sind.

Für Birder sind solche Entdeckungen ein Ereignis: Sie bekommen einen Vogel vor der Haustüre vor die Linse, für dessen Anblick sie sonst weit reisen müssten. Grosse Aufmerksamkeit zog daher auch ein europäisches Rotkehlchen auf sich, das in Peking auftauchte, oder ein russischer Riesenseeadler, der Boston anflog.

In der Regel bedeutet ein solcher Irrflug für den betroffenen Vogel eine Sackgasse: Das Überleben am ungewohnten Ort kann schwierig sein, die Gefahr eines raschen Todes ist gross. Und auch wenn der Irrgast längere Zeit überlebt: Ohne Artgenossen ist die Fortpflanzung unmöglich. Gelangen allerdings gleich mehrere Irrgäste der gleichen Art zur selben Zeit an denselben Ort, kann dies der Startpunkt für eine neue Population sein.

Gründe für solche Irrwege können Stürme sein, die die Vögel von ihren ursprünglichen Gebieten über Tausende von Kilometern an fremde Orte verfrachten. Auch genetische Fehler werden als Ursache ins Spiel gebracht.

Amerikanische Forscher haben nun noch einen weiteren möglichen Grund für die Verirrungen untersucht: Störungen im Erdmagnetfeld. Denn Vögel können – anders als wir Menschen – das Erdmagnetfeld „sehen“ und sich so im Raum orientieren.

Die Wissenschaftler werteten für ihre Studie über 2.2 Millionen nordamerikanische Beringungsdaten von 152 Vogelarten zwischen 1960 und 2019 aus und glichen diese mit dem Auftreten erdmagnetischer Störungen ab.

Und tatsächlich: Mit grosser Wahrscheinlichkeit bestehe ein Zusammenhang zwischen erdmagnetischen Störungen und Irrflügen von Vögeln während des Herbstzuges, halten die Forscher im Wissenschaftsmagazin „Nature“ fest. Mit diesen Störungen gerate die „Zug-Karte“ der Vögel durcheinander, was sie vom Ziel abbringen kann.

Betroffen seien nicht nur junge und daher eher unerfahrene Zugvögel, sondern auch alte, die den Weg bereits mehrere Mal erfolgreich hinter sich gebracht haben.

Keinen besonderen Effekt auf die Häufigkeit von Irrflügen haben gemäss den Untersuchungen Störungen der Sonnenaktivität. In diesem Fall können die Vögel wohl den gestörten Magnetsinn durch andere ihnen zur Verfügung stehende Orientierungsmöglichkeiten wie Tageslänge, Sternkompass und Topografie kompensieren.

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