
Glück hat, wer beruflich so nebenbei Vögel beobachten kann, die zu den faszinierendsten unserer Breitengrade gehören. Ein solcher Glückspilz ist Heinrich Haller, Biologe und ehemaliger Direktor des Schweizerischen Nationalparks. Im Zuge seiner Arbeit im Nationalpark ist er immer wieder Kolkraben begegnet, den grössten – und manche sagen auch: den klügsten – Singvögeln der Welt. Die Kolkraben wurden mit der Zeit zu seinen Wegbegleitern. Allerdings gehen diese Wegbegleiter in der Regel auf Distanz zum Menschen. Kolkraben wurden in Europa während Jahrhunderten gejagt, mancherorts fast bis zur Ausrottung. Das hat die schlauen Vögel gelehrt, wenn möglich den Menschen aus dem Weg zu fliegen. Heute haben sich die Bestände dank Schutzbemühungen wieder erholt.
Doch Haller hatte einmal mehr Glück. Ein Kolkrabenpaar gewöhnte sich mit der Zeit an den Nationalpark-Direktor, der regelmässig ihr Revier aufsuchte, und liess sich aus nächster Nähe beobachten und fotografieren. Seine Erfahrungen hat Haller in einem persönlichen Porträt über die Kolkraben festgehalten, angereichert mit viel Wissenswertem über Biologie und Kulturgeschichte der Raben. Den Schwerpunkt des Buches machen aber die Fotografien aus. Hier zeigt Haller die Kolkraben in ihrer ganzen Schönheit – und wirbt damit für ein besseres Verständnis dieser schwarzen Vögel, denen teilweise noch immer mit Ablehnung begegnet wird.
Heinrich Haller: Der Kolkrabe. Totenvogel, Götterbote, tierisches Genie. Haupt Verlag, 2022. 216 Seiten, viele Fotografien. 39.20 CHF.
Dieser Beitrag ist bei den Flugbegleitern erschienen. Weitere Buchbesprechungen bei den Flugbegleitern finden sich unter diesem Link.