Ich bin jedes Mal überrascht. Ein so grosser Vogel, mitten in der Stadt. Der scheint gar nicht hierher zu gehören.
Manchmal huscht am Himmel ein Schatten vorbei. Damit ich den Rotmilan noch sehe, muss ich rasch nach oben zum Himmel schauen. Meist ist er aber schon verschwunden, hinter Hausdächern oder hohen Bäumen.
Wenn das Wetter stimmt und eine gute Thermik herrscht, dann kreist er über der Stadt. Oft nicht weit weg vom Wald. Dort brütet er ja auch. Manchmal schwebt er nur wenige Meter über den Häusern. Manchmal – vor allem im Sommer – aber ganz hoch, so dass man ihn von Auge fast nicht mehr erkennt.
Lange allein bleibt er nicht. Rabenkrähen stürzen sich auf ihn. Mit lautem Gekrächze. Die wollen ihn weg haben aus ihrem Revier. Ziemlich frech sind sie. Der Rotmilan weicht ihnen zwar geschickt aus. Doch wenn die Rabenkrähen nicht nachlassen mit ihren Angriffen, wird es ihm zu bunt. Mit ein paar Flügelschlägen entfernt er sich von ihnen.
Mit seinem tiefgegabelten Schwanz liegt er wie ein Pfeil in der Luft. Er ist der Grösste in der Stadt. Und die bietet ihm, dem Allesfresser, so einiges. Abfall auch. Wenn er frisches Futter will, muss er die Stadt verlassen und im Kulturland jagen.
Für mich ist der Rotmilan der Hüter der Stadt.
© Markus Hofmann
Vogelstimmenaufnahmen von : Beatrix Saadi-Varchmin (Rotmilan: XC381123, www.xeno-canto.org/381123; Rabenkrähe: XC380613, www.xeno-canto.org/380613)