
Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub – und Kaffee zu Kaffee. Ich sitze in der „Oslo Kaffebar“ in Berlin, vor mir auf dem Tisch steht ein frischgebrauter Espresso, aber nicht in einer weissen Porzellantasse, sondern in einer braunen Tasse, die aus einem undefinierbaren Material gefertigt zu sein scheint. Anders als Porzellangeschirr ist dieses Gefäss sehr leicht. Es hinterlässt den Eindruck, nicht so rasch zu zerbrechen. Fiele es auf den Boden, ginge es wohl nicht kaputt. Plastik? Oder irgendein anderer Kunststoff?
Nein. Die Kaffeetasse besteht aus – Kaffee.
Kaffeesatz ist das Ausgangsmaterial für die Epressotasse. Sechs Espressi – beziehungsweise den „Abfall“, den diese hinterlassen – sind notwendig, um eine Espressotasse sowie den zugehörigen Unterteller herzustellen. Klassisches Upcycling also. Kaffeesatz allein genügt aber nicht. Damit das Endprodukt zu einem stabilen und spülmaschinenfesten Geschirr wird, müssen noch Biopolymere, Pflanzenfasern und Holz beigemischt werden. Wie genau das Rezept aussieht, ist Betriebsgeheimnis. Insgesamt sind Tasse und Teller biologisch abbaubar. So zumindest verspricht es der Hersteller, Julian Lechner.
2009 studierte der Produktedesigner Lechner in Italien, dem Land des Espressos. Genügend davon hatte er getrunken, als er auf die Idee kam, den Kaffeesatz der Baristas in etwas Sinnvolles umzuwandeln: Kaffeegeschirr. Es waren allerdings einige Jahre nötig, bis Lechner mit Hilfe von Materialexperten die richtige Rezeptur gefunden hatte, um aus pulvrigem Kaffeesatz brauchbares Geschirr zu pressen. (Ein ausführliches Interview mit Lechner findet sich bei „Green Me Berlin“.) 2015 konnte Lechner mit seinem Start-up „Kaffeeform“ erste Tassen verkaufen.

Den notwendigen Kaffeesatz sammelt Lechner in Berliner Cafés, dann wird das Ausgangsmaterial ebenfalls in Berlin getrocknet, bevor es in Nordrhein-Westfalen in die gewünschte Form (Espresso- und Cappuccino-Tasse je mit Unterteller sind derzeit erhältlich) gepresst wird. Das Geschirr wird anschliessend wieder nach Berlin gebracht und von dort verkauft. In mehreren Cafés in Berlin lässt sich die Tasse ausprobieren und auch gleich erwerben. Lechner liefert sein Geschirr gewordenen Kaffeesatz nicht nur in Deutschland aus, sondern er ist auch in Brüssel, Paris, London oder Zürich erhältlich. Oder man bestellt die Tassen direkt im Webshop.
Die Idee von „Kaffeeform“ finde ich bestechend. Sie folgt dem Gebot der Kreislaufwirtschaft. Kaffee ist ein sehr ressourcenintensiver Genuss. Lässt sich ein Teil des Abfalls – in Deutschland fallen jährlich 20 Millionen Tonnen Kaffeesatz an – wieder in den Produktionsprozess zurückführen, ist dies mehr als wünschenswert.
Äusserlich vermögen die Tassen zu gefallen. Auch dass sie leicht nach Kaffee riechen, bevor überhaupt Kaffee drin ist, ist reizvoll. Zudem sieht jede Tasse etwas anders aus; Tassen und Teller sind Einzelstücke. Allerdings ist das Material gewöhnungsbedürftig: Die Haptik ist eine ganz andere als bei einer vorgewärmten Porzellantasse. Auch das tiefe Gewicht erinnert mehr an einen billigen Pappbecher als an eine edle Tasse, die es verdient, ein ebenso edles Getränk zum Genuss zu bringen. Doch das ist Mäkeln auf hohem Niveau. Die Idee des wiederverwerteten Kaffeesatzes macht dies mehr als wett.

© Markus Hofmann