
In Brighton trifft sich heute Abend um 18 Uhr eine Gruppe von Leuten, einige werden Laternen mit sich führen, andere ein Instrument spielen oder eine Maske tragen, wieder andere sind als Tiere verkleidet. Sie werden an den Strand spazieren und dort eines ausgestorbenen Tieres gedenken – des Beutelwolfs, auch Tasmanischer Tiger genannt. In London, an der Vanbrugh Park Road, wird zur selben Zeit ein Abendessen stattfinden in Erinnerung an den Dodo, einen flugunfähigen Vogel auf Mauritius, der Ende des 17. Jahrhunderts ausgerottet wurde. In Berlin lesen Schriftsteller aus ihren Gedichten und Künstler zeigen ihre Werke zu Ehren ausgestorbener Tiere. In Melbourne kümmert man sich in Gedenkveranstalungen um Arten, die in baldiger Zukunft ausgestorben sein könnten. Und in Englewood (USA, Colorado) kann man sich ein Stundenglas tätowieren lassen als Symbol für das andauernde Aussterben.
Der 30. November ist der Remembrance Day for Lost Species. Von Grossbritannien, über Belgien, Deutschland, Österreich bis nach China und Australien finden Rituale statt, um über den Verlust von Arten zu trauern.

Seinen Anfang nahm der Erinnerungstag 2010 in Bristol. Die Künstlerin Persephone Pearl besuchte eines Tages das Bristol Museum. Als sie einen ausgestopften Tasmanischen Tiger, der in einer Vitrine ausgestellt war, betrachtete, überfiel sie das Gefühl einer tiefen Trauer. Die Art, wie das Tier präsentiert wurde, erschien ihr unwürdig. Am liebsten hätte Pearl das Glas zerschlagen, den Beutelwolf mitgenommen und ihn an einem Fluss begraben, um ihn so wieder der Erde zurückzugeben. Oder anders gesagt: Um würdevoll von ihm und seiner Art Abschied zu nehmen. Ihr wurde klar, uns fehlen Rituale, wie wir mit ausgerotteten Lebewesen umgehen können. Die Folge: Verdrängung.
So entstand der Rememberance Day for Lost Species. Zum ersten Mal fand er am 30. November 2011 statt. Seither hat sich die Idee, der Trauer um ausgestorbene Lebenwesen einen Ausdruck zu verleihen, um die Welt ausgebreitet. Es ist keine Massenbewegung, und es gibt kein festgeschriebenes Ritual. Es sind meist kleine Gruppen, die sich spontan bilden, und zusammen eine Trauerfeier begehen.
Die Hoffnung der Initiantinnen aus Brighton besteht darin, dass die ritualisierte Trauer einen Weg bereitet, um Verantwortung für die bedrohte Natur zu übernehmen. Auch soll das Aussterben mit Geschichten gefühlt und damit emotional erlebbar gemacht werden. Pearl sagt im Guardian: “It’s not science or statistics, it’s history, it’s real life – and in an age of cultural amnesia, storytelling inspired by historical events is a way to learn lessons from the past.”