
Wieso in die Ferne reisen, wenn das Überlebensnotwendige gleich unter den eigenen Flügeln liegt?
Weissstörche gehören zu den Zugvögeln; sie brüten in nördlichen Gefilden und ziehen im Winter, wenn die Nahrung knapp wird, in den Süden. So hat man es zumindest beobachtet, und so steht es in den einschlägigen Fachbüchern. Doch nun hat sich das Verhalten der Weissstörche innert kurzer Zeit stark verändert. Offene Mülldeponien veranlassen die Störche dazu, ihr Zugverhalten einzustellen. Forscher der University of East Anglia haben mithilfe von den Tieren aufgeschnallten Ortungsgeräten erstmals nachweisen können, dass Störche Europas gar nicht mehr ziehen, sondern teilweise zu Standvögeln geworden sind (Studie hier).
In Portugal und Spanien siedeln Weissstörche mittlerweile rund um Mülldeponien, die sie jahraus, jahrein mit Nahrung versorgen. Um zum „junk food“ zu gelangen, nehmen die Störche längere Anflugwege in Kauf als bisher geschätzt – während der Brutzeit 28,1 Kilometer und während des Rests des Jahres sogar 48,2 Kilometer. In Portugal hat sich der Storchenbestand in den letzten 20 Jahren verzehnfacht. Mittlerweile überwintern dort 14’000 Tiere.
Die von den Menschen angelegten Mülldeponien haben das Verhalten dieser Tierart also dramatisch verändert. Und nun könnte sich das Verhaltensmuster gleich nochmals erneuern. Denn gemäss EU-Richtlinien müssen offene Deponien mit Essabfällen nach und nach vom Erdboden verschwinden. Nicht nur soll die Menge an Food Waste reduziert, auch sollen unvermeidliche Essabfälle verdeckt entsorgt werden.
Verschwinden die Junk-Food-Stationen, werden die Störche gezwungen sein, ihr Zugverhalten also wiederum rasch anzuapassen.
© Markus Hofmann