Sie gehören zu den ersten Vögeln meines Tages. Am Morgen sitzen jeweils zwei Türkentauben auf der Wetterfahne des Nachbarhauses. Sie kommen mir vor wie ein altes Ehepaar. Nicht zu nah und nicht zu weit entfernt voneinander hocken sie dort.
Die Türkentaube mag die Menschen. Oder zumindest hat sie keine grosse Angst. Denn sie lebt mitten unter ihnen. Sie ist ein richtiger Stadtvogel. Passend zur Stadt ist sie auch ziemlich elegant. Vor allem der schmale schwarze Nackenring steht ihr sehr gut. Auch ihre helle, beigegraue Gesamterscheinung passt zu Zürich. Die Stadt hat sich ja dem grauen Sandstein verschrieben.
Nein, ein Kuckuck ist das nicht. Den hat man in der Stadt schon lange nicht mehr gehört. Gewisse Leute nervt dieses Huhu-hu. Mich nicht. Ich zähle die Silben. Denn sind es nicht drei, sondern fünf, dann ist es keine Türkentaube, sondern eine Ringeltaube.
Der Name Türkentaube kommt nicht von ungefähr. Denn diese Taube stammt aus Asien. Und lange Zeit lebte sie auch nur dort. Doch in den letzten Jahrzehnten ist sie immer weiter nach Westen gewandert. Seit über 50 Jahren lebt sie auch in Zürich. Wie sie so auf den Strassenlaternen sitzt, gehört sie ganz zum Stadtbild.
Von weither sind sie gekommen. Nun haben sich die Türkentauben hier eingelebt. Wie alteingesessene Ehepaare eben: Ihre Heimat wollen sie nicht mehr verlassen.
© Markus Hofmann
(Audios: Türkentaube, Joost van Bruggen, XC284421; Ringeltaube, Timo Tschentscher, XC380054.)