
In der Rangliste der Beliebtheit stehen sie weit unten: die Quallen. Vielen vergällen Schwärme giftiger Medusen die Badeferien, wenn sie sich an Stränden breitmachen. Andernorts verstopfen sie die Rohrleitungen von Kühlsystemen und sorgen dafür, dass die daran angeschlossenen AKW-Reaktoren heruntergefahren werden müssen. Und Fischern bereiten sie Probleme, wenn sie in grosser Zahl in die Netze geraten und wegen ihres Gewichts Boote zum Kentern bringen können.
Man kennt die Geschichten von den Qualleninvasionen mittlerweile, sie machen regelmässig die Runde in den Medien. Was viele aber nicht kennen, sind die Quallen selber.
Das liegt auch daran, dass es bis vor kurzem kaum Bücher gegeben hat, die eine Übersicht der verschiedenen Arten bieten. Wer in der Schönheit der Quallen schwelgen wollte, konnte immerhin zu Ernst Haeckels „Kunstformen der Natur“ greifen. Der Wissenschaftler gehört zu den Pionieren der Quallen-Forschung und widmete sich den faszinierenden Wasserbewohnern zwischen 1870 und 1890 intensiv.
Er versuchte nicht nur, die Quallen zu systematisieren, dank seines künstlerischen Talents schuf er zudem unvergleichliche Medusen-Zeichnungen, die auch den Jugendstil prägten. Sein Haus in Jena trägt nicht ohne Grund den Namen „Villa Medusa“. Bilder von Quallen schmücken Decken der Räume.

Noch heute greift man auf die exakten Zeichnungen Haeckels (und weiterer, längst verstorbener Forscher) zurück, wenn man ein Arten-Buch zusammenstellt. So auch die Herausgeber des soeben erschienen „Word Atlas of Jellyfish“. Dieser 800-Seiten Wälzer füllt endlich die Lücke der Bestimmungsliteratur (aufgrund seines Gewichts und seiner Grösse ist der Atlas allerdings nicht gerade für den entspannten Strandspaziergang geeignet).
Selbstverständlich sind im neuen Quallen-Atlas nicht nur alte Bilder abgedruckt. Die meisten Arten sind in fantastischen Fotografien abgebildet. Vor schwarzem Hintergrund kommen die filigranen und äusserst farbenprächtigen Medusen bestens zur Geltung und lassen einen die für den Menschen unangenehmen Seiten der Nesseltiere vergessen.
Das Buch konzentriert sich auf die Scyphozoa (Echte Quallen). Anhand einfacher schematischer Darstellungen ist es möglich, die Quallen den Familien und dann der jeweiligen Art zuzuordnen. Verbreitungskarten, kurze Beschreibungen der Arten und ihrer Biologie sowie Angaben zur Etymologie geben einen perfekten Überblick über eine der ältesten Tierstämme der Erde.
World Atlas of Jellyfisch, edited by Gerhard Jarms and André C. Morandini. Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg. Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 2019. 816 Seiten, 1250 Abbildungen und Karten. Euro 99, CHF 137.
© Markus Hofmann