
Stockholm ist die Stadt der Wacholderdrosseln. Zumindest im Frühling. Als ich diesen April dort war, zeigten die Drosseln mit den aparten grauen Kopf- und Nackenfedern in allen Grünanlagen Präsenz. Lauthals. Wenn man sie nicht sah, hörte man sie. Die sozialen Vögel, die selten alleine unterwegs sind, schwatzen ohne Unterbruch – und schimpfen. Sie machen oft einen ziemlich übellaunigen Eindruck.
Für mich verkörpert die Wacholderdrossel den Archetyp einer Drossel, wie sie der englische Dichter Ted Hughes (1930 bis 1988) im Gedicht „Thrushes“ beschrieb:
„Furchterregend sind Drosseln, wachsam und glänzend im Gras, / Mehr Stahldraht denn lebend und stets in Bereitschaft ihr dunkles, / Tödliches Auge, die zierlichen Beine, in Gang gesetzt / Von kaum spürbarer Regung – mit Ruck und Sprung und Stich / Zerren sie, schneller als der Moment, ein sich windendes Ding heraus. / Kein träges Vertragen, kein Gähnen und Starren, / Seufzen und Kopfgekratze. Nichts als ein Sprung, ein Stich / Und eine Sekunde des Prassens.“
Soeben sind ausgewählte Gedichte von Ted Hughes in einer bibliophilen zweisprachigen Ausgabe erschienen: „Wodwo“, ausgewählt und übersetzt von Jan Wagner. Zum Glück fanden auch einige von Hughes‘ Vogelgedichten Eingang.
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