Ob angeleint oder nicht: Die negativen Effekte von Hunden auf die Natur werden unterschätzt

Zufriedener Hund, verängstigte Wildtiere: Hunde in freier Natur sind eine Bedrohung. (Bild: Enirehtacess/Pixabay)

Freilaufende Hauskatzen fügen der Biodiversität argen Schaden zu. Sie töten Vögel, Reptilien und Amphibien. Sie gehören zu den invasivsten Arten weltweit. Darüber wird regelmässig berichtet.

Im Windschatten dieser Debatte tummelt sich der Hund.

Der „beste Freund“ des Menschen ist das beliebteste Haustier der Welt. Geschätzt eine Milliarde domestizierte Hunde leben auf der Welt – nicht eingerechnet die streunenden (Strassen-)Hunde ohne Eigentümer. In der Schweiz sind es rund 550’000, in Deutschland etwas über 10 Millionen Hunde.

Und auch die Hunde richten beträchtlichen Naturschaden an: Sie töten und vertreiben Wildtiere, sie verbreiten Krankheiten, verschmutzen das Wasser und tragen zu den Treibhausgasemissionen und damit zur Klimaerhitzung bei.

Darauf machen Philip W. Bateman und Laren N. Gilson in „Pacific Conservation Biology“ aufmerksam.

Wer regelmässig in Naturschutzgebieten unterwegs ist, kann ein Lied davon singen: Häufig trifft man auf Spaziergänger, die ihre Hunde entgegen den Vorschriften von der Leine lassen.

Die Tötung von Wildtieren durch unkontrollierte Hunde ist die offensichtlichste Beeinträchtigung der Natur. Je nach Region sind verschiedene Tierarten besonders betroffen. In Tasmanien etwa haben Hunde ganze Kolonien von Pinguinen zerstört.

Doch es muss nicht zur Tötung kommen: Allein die Anwesenheit von Hunden hat Auswirkungen auf Wildtiere. Vor allem auf Vögel, die an Ufern brüten, können freilaufende Hunde fatale Folgen haben.

Am Lido di Spina in der Nähe von Ferrara kann man dies gut beobachten. An diesem beliebten Strand brüten im Frühjahr die Seeregenpfeifer. Mit beträchtlichem Aufwand werden die Gelege geschützt: mit Gittern und Zäunen, mit Hinweistafeln und Rangern, die auf die Bruten aufmerksam machen.

Am Lido di Spina brüten Seeregenpfeifer. Jedes Frühjahr werden sie mit Gittern geschützt (im Hintergrund). (Bild: Markus Hofmann)

Doch die meisten Strandbesucher achten kaum darauf. Trotz Leinenpflicht toben die Hunde in der Brandung und beschnuppern die Schutzgehege der Seeregenpfeifer. Die wenigen Aufpasser können nicht alle Hundebesitzer zurechtweisen.

Jede Störung ist eine zu viel

Jede Störung durch Hunde verursacht auf Seiten der Vögel Kosten: Energie für die Flucht. Gerade bei Langstreckenziehern, die ihre Energiereserven gut einteilen müssen, kann jede Störung eine zu viel sein. Störungen erhöhen die Mortalität der zur Flucht getriebenen Wildtiere.

Hunde an die Leine zu nehmen, ist daher oberstes Gebot.

Doch auch angeleinte Hund wirken auf viele Wildtiere – die potenziellen Beutetiere – bedrohlich und schlagen sie in die Flucht. Und sind die Hunde ganz verschwunden, so bleiben mit ihrem Kot und Urin sowie ihren Duftmarken Spuren zurück, was das Verhalten der Wildtiere weiterhin beeinflussen kann: Diese vermeiden die nach Hund riechenden Gebiete.

Die Ausscheidungen der Hunde sind für sich genommen kein Problem. Zum Problem werden sie in ihrer Menge. Im Schnitt „produziert“ ein Hund Zeit seines Lebens über eine Tonne Kot und 2000 Liter Urin. Mit dem Urin gelangen grosse Mengen Stickstoff in den Boden. Und mit dem Kot können sich Zoonosen unter Wildtieren (und Menschen) ausbreiten, wenn sie nicht von den Hundebesitzern entsorgt werden.

Ökologischer Pfotenabdruck

Vor kurzem habe ich hier darüber berichtet, dass mit Pestiziden kontaminierte Hunde- und Katzenhaare Vögel schädigen können. Gehen nun die Hunde, deren Fell mit Mitteln gegen Zecken und Flöhen behandelt wurde, in Naturgewässern baden, kann dies Wasserwirbellose beeinträchtigen: Das in den Tierarzneimitteln enthaltende Fipronil, Imidacloprid und Peremethrin wirkt auch in niedrigen Dosen tödlich.

Die Hunde wollen gut gefüttert werden. Die (fleischlastige) Tiermittelproduktion verursacht einen nicht zu vernachlässigenden ökologischen Fuss- oder besser: Pfotenabdruck: jährlich 56 bis 151 Mt CO2, was immerhin 1.1 bis 2.9 Prozent des gesamten landwirtschaftlichen CO2-Ausstosses entspricht. Auch landet ein beträchtlicher Anteil des weltweiten Fischfangs im Tierfutter.

Die negativen Effekte der Haushunde sind also nicht unerheblich. Wie bei den Katzen sind auch bei den Hunden die Menge sowie die Haltung die hauptsächlichen Probleme. Beides kann und muss der Mensch steuern.

© Markus Hofmann

2 Gedanken zu “Ob angeleint oder nicht: Die negativen Effekte von Hunden auf die Natur werden unterschätzt

  1. Leider ist das in Summe und vor allem in Grosstadtnähe zutreffend. Die Bequemlichkeit, seinen Hund mit derartig giftigen Chemikalien zu behandeln, dass man sie gemäss des Beipackzettels eigentlich nicht einmal streicheln sollte, ist mir auch als Hundebesitzerin ein Rätsel. Dass Wildtiere durch die Anwesenheit von Hunden in ihrem Biotop vergrämt werden, kann ich allerdings bei uns in der landwirtschaftlich geprägten grosstadtfernen Umgebung mit Wolfsgegenwart nicht beobachten. Vermutlich ist es, wie so oft, eine Sache der belastenden Anzahl von Individuen.

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  2. Hunde und Katzen als Gefahr und invasive Arten darzustellen, muss nun nicht wirklich sein. Natur war immer fressen und gefressen werden, da heute dank des Eingriffs des Menschen natürliche Fressfeinde, wie der Wolf weitestgehend verdrängt wurden, entwickelt sich der Vogel und Wildtierbestand doch ganz hervorragend. Wenn Wildtiere und auch Vögel zu schwach sind, ist die Gefahr der Degeneration viel grösser.

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