Mensch gegen Maschine: Bei der Vogelbestimmung hat der Mensch die Nase vorn

Kommt weltweit zum Einsatz: die „Merlin Bird ID“.

Vogelbestimmung leicht gemacht: Hört man einen Vogelgesang, schaltet man die App auf dem Smartphone an – und schon weiss man, welche Art sich gerade bemerkbar macht.

Besonders beliebt ist die App „Merlin Bird ID“ des Cornell Lab of Ornithology. Für den Hobby-Ornithologen wie mich leistet sie gute Dienste. Gerade auch bei den Vogelrufen, die mir nicht so geläufig sind.

Doch ist die App zuverlässig? Und zwar so zuverlässig, dass sie auch für Forschungszwecke eingesetzt werden kann?

Das wollten Forscherinnen und Forscher in den USA herausfinden und liessen die App gegen den Menschen antreten. Die Resultate dieses Wettkampfs sind in den „Ornithological Applications“ erschienen.

Als Übungsanlage verwendeten die Wissenschaftler eine klassische Methode der Vogelkartierung. Im untersuchten Gebiet (in diesem Fall ein knapp 700 Hektaren grosser Wald in Maine, USA) wurden an zehn festgelegten Punkten während einer vorgegebenen Zeit (drei Minuten) alle Vogelarten notiert, die man hört und sieht. In der Regel werden solche Kartierungen in gewissen zeitlichen Abständen mehrmals wiederholt, um die Vogelpopulationen eines bestimmten Gebietes zu ermitteln.

Die menschlichen Vogelbeobachter verfügten im Versuch über ein mittleres Kenntnis-Level in der Vogelbestimmung. Es waren keine Experten (diese waren dazu da, die Resultate zu überprüfen). Unterwegs waren sie mit zwei Kollegen, die je mit einem Smartphone sowie der darauf installierten „Merlin“-App ausgerüstet waren. (Wieso es zwei waren, dazu später mehr.) Derart absolvierten sie den Parcours mit den zehn Messpunkten.

Bei der Präzision fast gleich auf

Die Resultate fielen klar aus: Die menschlichen Beobachter liessen die Bestimmungs-App vor allem bei der Anzahl wahrgenommener Vögel hinter sich liegen. Während die Menschen 382 Vögel entdeckten, betrug die Ausbeute der App lediglich 222. Wenn ein Vogel sang oder rief, war die Wahrscheinlichkeit, dass ihn der Mensch vernahm, also 72 Prozent höher als bei „Merlin“.

Auch bei der Präzision schnitt der Mensch besser ab, allerdings weniger deutlich. 92 Prozent der menschlichen Entdeckungen stellten sich als korrekt heraus, bei „Merlin“ waren es immer noch sehr gute 86 Prozent.

Negativ für „Merlin“ fällt ins Gewicht, dass die App zwölf falsch positive Meldungen produzierte. Die App gab also eine Vogelart an, die gar nicht da war. Bei den menschlichen Beobachtern war dies nur ein einziges Mal der Fall.

Zudem hatte die App im Vergleich zum Menschen Mühe, gewisse Vogelarten wie die Amerikakrähe oder die Carolinataube, die über eine vergleichsweise tiefe „Stimme“ verfügt, zu registrieren. Zwar kann „Merlin“ durchaus tiefe Frequenzen erkennen, doch diese werden durch die menschliche Lärmverschmutzung übertönt. In lärmigen Städten sind dem Gebrauch der App daher deutliche Grenzen gesetzt. Ebenfalls ins Gewicht fällt, dass „Merlin“ nicht anzeigen kann, wie viele Vögel sich bemerkbar machen. Die App meldet lediglich, dass Vögel zu hören sind.

Unentdecktes entdeckt

Doch auch „Merlin“ hat seine Stärken. So schnitt die App besser als die Menschen beim Erkennen des Zedernseidenschwanzes und des Kronwaldsängers ab.

Ein grosses Plus verdient die App bei Arten, die der Mensch gar nicht vernahm. Vier Vogelarten liessen sich nur einmal während des ganzen Kurses durch den Wald hören. Während die unbestechliche App diese registrierte, entgingen sie den menschlichen Ohren. Nur dank „Merlin“ wurden diese vier Arten überhaupt entdeckt.

Resultate abhängig vom Smartphone

„Merlin“, so schliessen die Forscher denn auch ihre Untersuchung, ist kein Ersatz für den menschlichen Beobachter, aber eine gute Ergänzung, insbesondere für diejenigen Birder, die über ein mittleres Niveau bei der Vogelbestimmung verfügen. Allerdings ist immer eine kritische Überprüfung der „Merlin“-Resultate notwendig. Den menschlichen Vogel-Experten geht die Arbeit daher nicht so rasch aus.

Und wieso liessen die Forscherinnen und Forscher zwei Apps gleichzeitig nach Vögeln lauschen? Nun, sie wollten herausfinden, ob „Merlin“ jeweils dieselben Resultate anzeige. Siehe da: „Merlin“ widersprach sich in etlichen Fällen selbst, was an der unterschiedlichen Qualität der Mikrophone und der abweichenden Ausrichtung der Geräte liegen mochte.

© Markus Hofmann

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