Für die Insekten die Pflanzen, für die Menschen die Kunst

Ein Siebenpunkt-Marienkäfer hat das Kunstwerk von Alexandra Daisy Ginsberg vor dem Museum für Naturkunde in Berlin angeflogen. (Bild: M. Hofmann)

Darf Kunst nur mehr dem Menschen dienen?

Geht es nach der britisch-südafrikanischen Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg lautet die Antwort: nein. Die Menschen haben sich zu lange als Krone der Schöpfung und damit auch der Kunst gesehen. Im Anthropozän sollen auch andere Lebewesen etwas von einem Kunstwerk haben.

Insekten zum Beispiel.

Ginsberg dreht die Perspektive um und versetzt sich in diejenige der Insekten. Wie sähe ein Garten aus, wenn Insekten gärtnerten? So schafft sie Wiesen, die nicht in der erster Linie das Auge des Menschen erfreuen, sondern allen möglichen Bestäubern von Käfern, über Bienen und Hummeln bis Schmetterlingen genügend Nahrung bieten sollen.

Die erste Wiese, die den Insekten-Ansprüchen genügen sollte, legte Ginsberg 2021 im „Eden Project an, einem botanischen Garten in Cornwall. Ein Jahr später folgte die Grossstadt. Kuratiert von der Londoner Galerie „Serpentine“ pflanzte Ginsberg eine Insektenwiese in den Kensington Gardens. Nun sind seit einem Jahr auch auf der anderen Seite des Ärmelkanals rund 7000 „Kunst“-Pflanzen 80 verschiedener Arten in die Höhe geschossen: vor dem Museum für Naturkunde in Berlin in Zusammenarbeit mit der LAS Art Foundation.

Soll ganz nach dem Gusto der Bestäuber sein: die Wiese vor dem Naturkundesmuseum in Berlin. (Bild: M. Hofmann)

Drei insektenfreundliche Wiesen an publikumswirksamen Orten sind Ginsberg nicht genug. Ganz im Sinne von Joseph Beuys, der einst 7000 Bäume pflanzen liess, versteht sie die Gärten nicht nur als soziale Plastik, sondern sie sieht auch jeden Menschen als Künstler.

Daher stellt sie den von ihr zusammen mit Gärtnerinnen und Gärtnern entwickelten Algorithmus, der die optimale Bepflanzung für den jeweiligen Standort errechnet, allen zur freien Verfügung. Mit dem Pollinator Pathmaker kann jeder sein eigenes Insektenparadies – und Kunstwerk – schaffen.

Es braucht Empathie

Es ist denkbar einfach: Man wählt das Land (die Schweiz ist noch nicht vorhanden, man kann zur Not nach Österreich ausweichen), die Grösse des zu bepflanzenden Gartens, die Beschaffenheit des Bodens, die Licht-, Wind- und Wetterverhältnisse und – nun kommt das künstlerische Element: die Art der Empathie. Gemeint ist die Empathie für die Spezies.

Damit lässt sich das Aussehen der Wiese, aber auch die Zusammensetzung der Insektenarten massgeblich steuern. Man muss sich für die Anzahl Pflanzenarten, die Komplexität der Anlage sowie dafür entscheiden, auf welche Flugrouten man die Insekten durch den Garten zu schicken beabsichtigt. Und flugs entsteht ein 3-D-Modell des gewünschten Gartens.

Beispiel eines mit dem Pollinator Pathmaker erstellten Gartens. (Screenshot)

Animationen ermöglichen es, den Veränderungen der Wiese über die Jahreszeiten zu folgen und sich das Ganze aus der Sicht der Insekten anzuschauen. Eine Pflanzanleitung wird auch gleich mitgeliefert.

Mit dem Pollinator Pathmaker bringt Ginsberg Natur, Kunst und Technologie spielerisch zusammen. Und tut was für die Insekten.

© Markus Hofmann

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