Wir bekämpfen invasive Pflanzen mit allen Mitteln – doch einheimischen Singvögeln bieten sie Platz, um ihren Nachwuchs aufzuziehen

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Starkes Wachstum: Japanischer Staudenknöterich.

Der Staudenknöterich steht weit oben auf der Todesliste. In der Schweiz ist es verboten, asiatische Knöteriche (Polygonaceae) in der Umwelt freizusetzen. Auch jeglicher Handel ist untersagt. Die Knöteriche gelten als invasive Neophyten, also als gebietsfremde Pflanzen, die, wo immer man sie antrifft, zu bekämpfen sind. Und inzwischen sind sie an vielen Orten anzutreffen.

Vor rund 200 Jahren genossen die Staudenknöteriche noch einen guten Ruf. Damals wurden sie aus Asien nach Europa als Futter- und Zierpflanze eingeführt. Die Knöteriche fühlen sich hier sichtlich wohl und haben sich stark ausgebreitet. Vor allem Uferbereich von Bächen und Flüssen schätzen sie.

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Ausbreitung des asiatischen Staudenknöterichs Reynoutria japonica Houtt. in der Schweiz. (Karte Infoflora)

Doch nun bereitet der Staudenknöterich grosse Sorgen. Zum einen führt er zu Schäden an Infrastrukturen (eine Asphaltschicht von fünf Zentimeter Dicke ist für ihn kein Hindernis), und an Böschungen fördert er die Erosion.

Zum anderen drängt der Staudenknöterich andere Pflanzenarten zurück und verringert damit die Biodiversität. Er bildet nicht nur ein dichtes Blätterdach, durch das kaum Licht auf den Boden dringt, er gibt auch Substanzen ab, die das Wachstum anderer Pflanzen verhindern.

Kein Wunder also, dass beachtliche Ressourcen zu seiner Bekämpfung eingesetzt werden. Im Kanton Bern hat man dem Staudenknöterich bei einem Naturschutzgebiet auf einer Fläche von 740m² den Garaus gemacht – mit einer eigens entwickelten Maschine. Kostenpunkt: 20’000 Franken.

Bei alldem hat man aber die Rechnung ohne die (einheimischen) Vögel gemacht. Diese fühlen sich nämlich in den dichten Büschen des (fremden) Staudenknöterichs sichtlich wohl, wie Beobachtungen aus Sachsen zeigen.

Jens Hering von der sächsischen Naturschutzverwaltung hat sich die Mühe gemacht, einmal nachzuschauen, welche Vogelarten sich in den Staudenknöterichen verstecken (siehe Der Falke 12/2019, 22-26, und Hering J 2019: A plea for a hated neophyte: Japanese knotweet stands Fallopia spp. as an important nesting habitat for songbirds. Vogelwarte 57: 99-114). Denn ihm war der Gesang von Drosselrohrsängern aufgefallen; mitten in der Brutzeit war dieser im Staudenknöterich zu vernehmen.

In Südwestsachsen, am Ufer der Zwickerauer Mulde, durchsuchten in der Folge Ornithologen dichtes Knöterich-Gestrüpp. Zwar trafen sie keine brütenden Drosselrohrsänger an, dafür aber Sumpfrohrsänger, Neuntöter, Amseln, Goldammern, einen Kuckuck sowie Mönchs- und Gartengrasmücken.

Anscheinend haben sich diese einheimischen Singvogelarten gut an die neuen und sehr homogenen Knöterich-Bestände angepasst.

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Der Neuntöter hat sich rasch mit dem Staudenknöterich abgefunden und baut ihn ihm sein Nest.

Doch durch das regelmässige Beseitigen der Knöteriche auch während der Brutzeit sind in der Vergangenheit wohl unzählige Vogelbruten zerstört worden. Und dies nicht nur in Deutschland, sondern vermutlich auch in der Schweiz, wo empfohlen wird, Knöterich-Bestände je nach Region sechs- bis zwölfmal mechanisch auszurotten.

Jens Hering fordert daher dazu auf, das Neophyten-Management zu überdenken: „Trotz der unbestrittenen Problematik, dass Staudenknöteriche Struktur und Arteninventar betroffener Ökosysteme vollkommen verändern können, spricht die erfolgreiche Einnischung einheimischer Vogelarten für eine angemessene Akzeptanz der fremdländischen Pflanzen.“ Möglicherweise stellten sie sogar einen teilweisen Ersatz für andere, durch agrarindustrielle Intensivnutzung verloren gegangene Randstrukturen dar, meint Hering.

Es sind bestimmt noch weitere Studien notwendig, um mehr über die Lebensgemeinschaft invasiver Neophyten und der Vogelwelt zu erfahren. Doch einmal mehr zeigt sich: Der Mensch kann seine Umwelt noch so sehr nach seinem Willen zu formen versuchen, die Natur findet immer einen Weg, ihm dabei ein Schnippchen zu schlagen.

© Markus Hofmann

 

 

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2 Gedanken zu “Wir bekämpfen invasive Pflanzen mit allen Mitteln – doch einheimischen Singvögeln bieten sie Platz, um ihren Nachwuchs aufzuziehen

  1. Der Mensch hat noch nicht begriffen, dass er seine Vorstellungen von dem, was einmal als „Status quo des Richtigen“ galt, nicht beibehalten kann, wenn sich durch sein eigenes Zutun die Umstände innerhalb weniger Jahrzehnte ändern, neue Vogel- und Insektenarten dem Klimawandel folgen und auf ihre Art und Weise dem Wandel besser Rechnung tragen, als der Mensch mit seinen ideologischen Scheuklappen es sich vorstellen möchte.

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